(Traditionelle) Chinesische Medizin (TCM) in München

Dir TCM hat ihre Wurzeln in einer sehr langen Medizintradition: nachweislich seit mindestens dem 3. Jahrhundert vor Christus, wahrscheinlich schon sehr viel länger urde das medizinische Wissen verschiedener Epochensystematisch gesammelt, klinisch weiter erprobt und bewahrt.

Nach den großen Umwälzungen in China im 19. und 20. Jahrhundert wurde in den 1950er Jahren die chinesische Medizin nach modernen wissenschaftlichen Standards systematisiert und zunächst an ausgewählten Universitäten, später landesweit gelehrt und diente zur Versorgung der wachsenden chinesischen Bevölkerung parallel zur westlichen Medizin – es entstand das, was heute „TCM“ abgekürzt wird.

Traditionelle Chinesische Medizin wurde durch die Arbeiten des Sinologen Prof. M. Porkert 1974 im Westen bekannt, der in seinem Werk „Die theoretischen Grundlagen der Chinesischen Medizin“ das systematische Denken der TCM als Wissenschaft erstmals in den Westen brachte. Zwar war schon lange vorher Akupunktur bekannt, aber nicht die

  • Grundlagen der TCM,
  •  die chinesische Arzneimitteltherapie als wichtigste Therapieform,
  •  Tuina (chinesische manuelle Medizin),
  • Diätetik
  • Taiji und Qigong (Bewegungstherapien)

Wir versuchen in unserer Praxis in München, alle Methoden der TCM  auf unsere westlichen Lebensbedingungen und Lebensverständnis anzupassen und dies mit dem Wissen der naturwissenschaftlichen orientierten westlichen Medizin und anderen Naturheilverfahren zu kombinieren (integrative Medizin, IM).

Begriffsklärung Chinesische Medizin, Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)

In China entstand vor ca. 2500 Jahren ein eigenes Medizinsystem. Basierend auf den kulturellen, philosophischen und erkenntnistheoretischen Prinzipien der damaligen chinesischen Philosophie entwickelte sich eine eigene Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit. Dies bis heute tradierte, durch vielfältige Einflüsse weiter entwickelte System wird auch heute in China „Chinesische Medizin“ (zhongyi) genannt, im Gegensatz zur westlichen Medizin (xiyi), zu der die CM seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Konkurrenz stand und steht (16, 18).

Der im Westen benutzte Begriff „Traditionelle Chinesische Medizin“ (TCM) wurde erst in den 1950er Jahren geprägt. Er umfasst die alten, vormodernen Heiltraditionen Chinas, aber auch die Veränderungen und Weiterentwicklungen der CM im 19. und 20. Jahrhundert. Neben den pluralistischen Wurzeln fließen auch verschiedene Lehrtraditionen (Altarztsystem, traditionelles Prüfungssystem bis hin zur universitären Lehre) ein, neben der zentrale Wissenskompilation des chinesischen Kaiserhofes auch  lokales Medizinwissen (7, 11, 14, 15, 16).

Trotz der pluralistischen Wurzeln und Traditionen lassen sich aber wesentliche Grundpfeiler des Verständnisses von Gesundheit, Krankheit und Heilung als Kern der TCM definieren. Konkret und für viele westliche Ärzte faszinierend sind neben diesem anderen Krankheitsverständnis die fünf zentralen Therapiemöglichkeiten: Akupunktur, chinesische Arzneimitteltherapie, chinesische Ernährungstherapie, Tajichuan und Qigong. Akupunktur wird im Westen bereits ergänzend genutzt, intensiv erforscht und hat bei definierten Indikationen bereits Eingang in die Kostenerstattung der Kassen in Deutschland gefunden.Für viele Bereiche gibt es imzwischen eine gute Evidenz und Akupunktur hat bereits Eingang in die Leitlinen als Empfehlung gefunden (bei Migräne, Begleitbehandlung bei Krebs usw.).

In China wird die TCM nach wie vor zur Behandlung akuter, chronischer und funktioneller Krankheiten verwendet, aktuell wird sie in China besonders bei Covid-19 und Post-Covid-Syndromen eingesetzt.

Sie gilt darüber hinaus in China als wichtiges kulturelles Erbe und Beitrag zur Medizin und Wissenschaftsentwicklung. Wenig bekannt ist, dass Grundlagen der Hygiene, der erste Versuch einer Pockenimpfung und die Forensik in China als Teil der TCM historisch belegt sind.

Geschichte, Entwicklung und modernes Verständnis

Die historischen Wurzeln der CM sind zeitgleich zur westlichen Antike ab etwa 1.000 v. Chr. zu suchen, von der Zhou-Dynastie (ca. 1000 – 221 v. Chr.) mit der wichtigen Zeit der streitenden Reiche (476 – 221 v. Chr.), der Qin-Dynastie (221-207 v. Chr.) bis zur Han-Dynastie (226 v. Chr.  – 220 AD) (7, 11, 16). Die wesentlichen theoretischen Konzepte wurden aus der Philosophie dieser Zeit entlehnt und zu einer Terminologie entwickelt. Darüber hinaus wurden vormoderne anatomische Vorstellungen und Krankheitskonzepte definiert (12). Erste Grundlagen der CM wurde in einer Reihe von sogenannten Klassikern (jing) niedergelegt, die bis heute als Bezugstexte gelehrt und zitiert werden: Bekannt ist der „Innere Klassiker des Gelben Kaisers“ (Huangdi neijing), der in Dialogform zwischen dem Kaiser und dem legendären Arzt Qibo zentrale Aussagen zu Gesundheit, pathogenen Faktoren und Therapie enthält (19, 20). Im „Shanghan Zabing Lun“ aus dem 3. Jhd. (von Zhang Zhongjing) werden phasenhaft Krankheitsverläufe von akuten Erkältungskrankheiten bis hin zu schweren Krankheiten beschrieben und darauf folgend definierten Arzneirezepturen zugeordnet (21). Weitere Kapitel behandeln gynäkologische, geburtshilfliche, gastrointestinale und psychiatrische Krankheiten. Neben dem „Aku-Moxa-Klassiker“(Zhenjiu jiayi jing) ist „Shennongs Klassiker der Drogenkunde“ (Shennong bencao jing) (25 – 220 n. Chr.) als erste bekannte arzneimittelkundliche Schrift von für die CM zentraler Bedeutung.  Dieser Klassiker enthält Beschreibungen von etwa 420 Arzneimitteln. Diese Arzneimittel werden gemäß definierter Wirkparadigmen (warm-kalt, Geschmack (sapor), Wirkort, Wirkrichtung) klassifiziert.

Während der folgenden Sui und Tang Dynastien (581–907 n. Chr.) entstanden umfangreiche grundlegende Werke, insbesondere zur Arzneimittellehre. Während der Song-Zeit (960–1279 n. Chr.) und Yuan-Zeit (1279–1368 n. Chr.) wurde ein Oberstes Medizinalamt (taiyiju) begründet. Das gesamte Medizinwesen wurde in Lehre und Ausübung reguliert und überwacht. Die Ausübung der Medizin war an eine Registrierung gebunden. Auch wurde auf kaiserlichen Befehl in der Song-Zeit eine große Zahl von Werken systematisch gesammelt, überarbeitet und neu herausgegeben, nachdem in der Zeit der Fünf Dynastien (907–960 n. Chr.) viele verloren gegangen waren. In der Ming- und Qing-Zeit folgte eine starke Institutionalisierung und Erstarrung, daneben wurden lokale Schulen gegründet.

Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des 20. fanden in China extreme Umwälzungen politischer, wirtschaftlicher, kultureller und wissenschaftlicher Natur statt. Im Zuge dieser Entwicklung musste die Chinesische Medizin zahlreiche Widerstände erdulden und ums Überleben kämpfen, die Zeit, „in dem die CM in der Zwangsjacke absoluter Fehleinschätzung gefesselt war“ (Li Zhichong, Direktor des Chinesischen TCM-Verbandes, 2002).

Nach der Gründung der VR China 1949 wurde die sehr kritische Haltung der KP Chinas aus politischen und wirtschaftlichen Gründen revidiert. Mao Zedongs berühmte Kalligraphie als Leitmotto lautete : „Chinesische Medizin ist ein großes Schatzhaus, das wir gründlich ans Licht holen und weiter entwickeln sollten“ („Zhongguo yiyao xue shi yige weida baoku, yingdang nuli fajue jiayi tigao“). Dies wird zwar auch kritisch gewertet, führte aber zur Renaissance der TCM: In den 50er Jahren wurde zunächst in Beijing, Chengdu, Shanghai, Guangzhou, dann in allen anderen Provinzen TCM-Universitäten gegründet, fünf berühmte Altärzte (wulao) gaben inhaltlichen Input, 2.000 westliche Ärzte mussten TCM studieren, das TCM-Konzept wurde systematisiert, standardisiert, kritisch der modernen Wissenschaft unterzogen und  „gereinigt“.  Vor allem in den ersten Jahrzehnten der VR China war TCM für die Gesundheitsversorgung unverzichtbar. Seit den 1990er Jahren überwiegt aber die Rolle der westlichen Medizin, 1997 gab es ca. 250.000 TCM-Ärzte in China, aber über 1.2 Millionen westlich ausgebildete Ärzte.

Im letzten Jahrzehnt wurde von der chinesischen Regierung in hohem Maße in Ausbildung und Forschung in der TCM mit den Zielen „Modernisierung“, „Normierung“ und „Integration der TCM“ investiert. Die Qualität der Studien entspricht mittlerweile auch westlichen Standards.

Philosophische Wurzeln und Einflüsse in der Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)

Die chinesische Medizin entstand in einem historischen Prozess, was die erkenntnistheoretischen Grundlagen, die Suche nach Gesundheit und langem Leben und das zu Grunde liegende Menschenbild, die Haltung auch zum Menschen und zu seiner inneren und äußeren Ordnung betraf. Prägend für die TCM waren Konfuzianismus und Daoismus. In die chinesische Medizin flossen aber  auch buddhistische Ideen, Einflüsse aus der indischen und arabischen Medizin, seit dem 19. Jahrhundert aus der europäischen Medizin mit ein.

Die bekannten Vertreter des Konfuzianismus waren Konfuzius (trad. 551-479 v. Chr.), Menzius (ca. 372-289 v. Chr.) und  Zhuangzi (ca. 313-238 v. Chr.). Vorrangiges Ziel war die gesellschaftliche und politische Ordnung (wieder) herzustellen. Ihre Lehren sind praktischer Natur und vor allem von politischen und ethischen Überlegungen geprägt. Im Mittelpunkt stehen sittliche Prinzipien wie  rén (Menschlichkeit),  yì (Rechtschaffenheit) und shù (Gegenseitigkeit). Das konfuzianische Modell der Sitten, Regeln, Moral und sein strenges hierarchisches Denken wurde auf das medizinische System übertragen, im Sinne einer „systematischen Korrespondenz“, wie auch das konfuzianische Konzept der „Einheit von Mensch und Natur“ (tiānrén héyī).

In der Hàn-Zeit (206 v. u. Z.-220 n. u. Z.) wurden die Konzepte von „Yin und Yang“ und den „5 Wandlungsphasen (wuxing)“ in der Medizin weiter ausgebaut, Aberglaube und schamanistische Wurzeln der ursprünglichen Medizintradition verworfen, eine rational-kritische Sicht der Welt von Wirkungen und Ursachen hielt Einzug.

Wesentliche Einflüsse des Daoismus auf die TCM sind die Suche nach „Gesundheit und langem Leben“ (Yangsheng) und nach der „Unsterblichkeit“ (xian). Besonders die daoistischen Alchimisten auf der Suche nach dem Elixier des ewigen Lebens führten zu einer systematischen Arzneimittelkunde und Anwendung. Abgeschiedenheit und Ruhe, Übungen zur Gesunderhaltung und Atmungsübungen (daoyin), sind alte Vorformen von Meditation, Taijichuan und Qigong und wurzeln in den daoistischen Vorschriften zur Lebenspflege

Der Buddhismus, der in der späten Han-Zeit nach China gebracht wurde, beeinflusste durch die Tradition des Mitgefühls wesentlich das medizinische Denken und System. An buddhistischen Klöstern wurden erste Krankenanstalten und Waisenhäuser gegründet. Dies wurde von den Daoisten und später von den staatlichen Stellen – zum Teil im Kulturkampf gegen die buddhistischen Mönche – übernommen.

Erkenntnistheoretische Grundlagen: Yin-Yang-Lehre, Fünf-Phasen-Lehre, Qi, Xue, Jing,  Shen

Nach dem Modell der „systemischen Korrespondenz“ wurden die erkenntnistheoretischen Konzepte von „Yin und Yang“ und den „5 Wandlungsphasen“ in die Beschreibung medizinischer Phänomene ungefähr ab dem 4. Jahrhundert v. Chr. aufgenommen. Sie gelten als Basisterminologie, als so genannte „Normkonventionen“. Im symbolistischen Wissenschaftsdenken dienen sie zur systematischen Beschreibung rationaler, klinischer Empirie und somit zu wichtigen Grundlagen der CM.

Yin und Yang sind ein zum einen ein polares Gegensatzpaar, zum anderen gehen sie kontinuierlich in einander über. In der medizinischen Terminologie steht Yin für Stoffliches, Struktives, Materielles, besonders das passive Prinzip, anatomisch wird Yin für innen und unten verwendet. Yang steht für das aktive Prinzip, aktives Ausleben, energetische Dynamik, die gesamten aktiven Energien und Abläufe im Organismus. Im anatomischen Kontext steht Yang für außen und oben.

Die 5 Wandlungsphasen (Metall, Erde, Wasser, Feuer, Holz) entstammen aus Naturbeobachtungen und wurden für die Beschreibung komplexer medizinischer Abläufe, Zusammenhänge und Funktionen verwendet bzw. dienen als Bilder phasenhafter Übergänge, komplexer Rhythmen und Zusammenhänge im Körper. Gleichzeitig symbolisieren sie die Organsysteme (Funktionskreise, orbes, zangfu): Die Wandlungsphase „Metall“ steht für den Funktionskreis „Lunge“, für den Schutz vor dem Eindringen pathogener Faktoren, die strenge Struktur der Atmung und des Lebensrhythmus.

Wesentliche andere medizinische Konzepte sind Qi, Xue, Shen und Jing (Essenz, Struktivpotential9:

Allgemein wird Qi (gespr.: Tschi, 气)als „aktive Lebensenergie“ beschrieben (12,17), als Voraussetzung für alle aktiven Prozesse im Körper. Qi wird weiter in der CM als Terminus technicus für die einzelnen Organsysteme, Leitbahnen und Funktionen spezifiziert: Beispielsweise das „weiqi“ (Wehrenergie, qi defensiuvm) zirkuliert unter der Haut zwischen den Geweben, wärmt, nährt und schützt diese vor äußeren pathogenen Einflüssen.

Xue (gespr. Schüeh, 血)wird als „Blut“ nur unvollständig übersetzt, es dient als Begriff für alle „nährenden Säfte“, als auch Plasma, Lymphe, Tränen, Milch etc. Xue zirkuliert im Leitbahnsystem, reguliert die Menses, nährt die Organe, Muskeln und Gewebe.

Unter „Jing“ (Essenz, Struktivpotential, 精) wurden alles Angeborene,  Eigenschaften, Fähigkeiten, letztlich genetisches Potential verstanden.

„Shen“ (神)wird meist mit „Geist“ übersetzt, „shen“ ist aber auch Persönlichkeit, Charakter, Klarheit des geistigen Denkens, der Seele, der Ausstrahlung, Phantasie, Ausdruck der gesamten Wesenheit eines Menschen. Wie die 5 Wandlungsphasen wird „shen“ weiter differenziert, in  „5 shen“ („5 Seelen“, wushen). Neben dem „shen“ wurden 4 weitere „Seelen“ (wushen), als leibliche Manifestation des seelischen und psychischen Ausdrucks unterschieden: Das „hun“ („Äther- oder Atemseele“) ist in der Wandlungsphase Holz, dem Funktionskreis „Leber“ zugeordnet, dem Yang, die Traumwahrnehmung, Schlaffindung, auch die Selbstbehauptung kann man ihm zuordnen. Das „po“ („Körperseele“) ist mehr dem Yin, dem Funktionskreis „Lunge“ zugeordnet, Körperwahrnehmung, Fühlen, Abgrenzung sind nahe Begriffe aus der modernen Psychosomatik. „Zhi“ kann man als „Lebenswillen“, mentale Grundlage der  Resilienz bewerten, das „yi“ entspricht am ehesten intellektueller Schärfe und Klärung (8, 13). Die „5 shen“ zeigen die sehr frühe psychosomatische Differenzierung der CM.

Gesundheits- und Krankheitsbegriff in der Chinesischen Medizin

Das Bild der Gesundheit der chinesischen Medizin ist die Harmonie: das harmonische Fließen des Qi und Xue im Körper, in den Leitbahnen und Funktionskreisen. Dazu trägt auch wesentlich das soziale Wohlbefinden, der Einklang mit den Mitmenschen und den eigenen Gefühlen, aber auch mit der Natur und Umwelt bei. Hier kommt das konfuzianische Ideal der Einheit von Himmel, Mensch und Erde/Natur zum Ausdruck, das auch spirituelle Harmonie fordert (tiānrén héyī ).

Dieser harmonische Qi-Fluss (auch „gerades Qi“, zhengqi, Orthopathie genannt) kann durch Pathogenes Qi (auch „schrägläufiges Qi“, xieqi genannt), durchbrochen werden, es folgt die Disharmonie und immer tiefer gehende Krankheit, die von außen nach innen dringt. Neben Pathogenen von außen kann auch die eigene Konstitution geschwächt und energetisch erschöpft sein (energetische Erschöpfung (depletio/xu)  von Qi, Xue, Yin, Yang, jing) und Krankheiten auslösen bzw. ermöglichen.

Pathogene Faktoren

Pathogene Faktoren wurden bereits im „Inneren Klassiker des Gelben Kaisers“ (Huangdi neijing) (19, 20) beschrieben, eine Einteilung erfolgte in „sechs äußere Pathogene“ (liuyin), „sieben innere Pathogene“ (qiqing) und nicht in diese Schema passende, neutrale Faktoren (buwai bunei) unterteilt.

Bildhaft werden die sechs äußeren, klimatischen Faktoren „Wind“ (feng), „Kälte“ (han), „Feuer-Glut“ (huo), „Feuchtigkeit“ (shi), „Trockenheit“ (zao) und „Sommerhitze“ (shu) unterschieden. Bestimmte Krankheitsbilder treten unter extremen, klimatischen Bedingungen gehäuft auf, bspw. wird durch „Kälte“ und „Wind“ das „weiqi“ blockiert, der Patient fängt an zu frieren, das Qi fließt nicht mehr, so entsteht Schmerz und Schwäche. Durch Wärmen (durch Arzneimittel wie Ephedra herba (mahuang) oder Cinnamomi ramuli (guizhi) oder Aku-Moxa-Therapie kann diese „Kälte-Wind-Schädigung“ ausgeleitet  werden, die Harmonie wird wieder hergestellt, die Symptome verschwinden.

Die inneren Pathogene (qiqing) entsprechen heftigen Emotionen: Trauer, Schock, Furcht, Angst, Ärger und Zorn,  Sorgen um die Existenz, exzessives Ausleben von Lust etc. Beispielsweise wird durch Trauer (wie den Verlust eines nahen Angehörigen) laut CM der Funktionskreis „Lunge“ geschwächt, es kommt zu Abwehrschwäche  und Infektneigung, Kurzatmigkeit und vermehrten Todesfällen, was auch sozialmedizinischen Studienergebnissen entspricht. Psychosomatische Medizin also über 2000 Jahre alt!

Darüber hinaus wurden Überarbeitung (früher meist physisch), Drogen und Alkohol, Fehl- und Unterernährung, Traumata etc. als neutrale Agentien eingeordnet .

Funktionskreislehre in der Traditionelle Chinesische Medizin

Alle physiologischen Funktionen, Lebensäußerungen, Abläufe werden fünf Yin-Funktionskreisen (FK) (Speicher-FK, zang) und sechs Yang -Funktionskreisen (Durchgangs-FK, fu) zugeordnet. Diese wurden mit Organnamen belegt, die aber vom vormodernen anatomischen Verständnis geprägt waren und nicht unserem modernen Verständnis entsprechen. Deshalb sollen diese immer mit dem Terminus technicus „Funktionskreis“ (lat. Orbis, zangfu) benutzt werden. Die Yin-Speicher-Funktionskreise (FK) sind der FK „Lunge“ (fei, o. pulmonalis), der FK „Leber“ (gan, o. hepaticus), der FK „Herz“ (xin (o. cardialis), der FK „Niere“ (shen, o. renalis) und der FK „Milz“ (pi, o. lienalis). Allen Funktionskreise sind Yang und Yin und die Wandlungsphasen zugeordnet, auch die Hauptleitbahnen der Akupunktur wurden nach ihrer klinischen Funktion später zugeordnet.

Am Beispiel des FK „Leber“, der mit unserem westlichen Organbegriff nichts zu tun hat, hier eine Auflistung der Funktionen und Bilder:

  • Wandlungsphase Holz,
  • „weichendes Yin“ (jueyin),
  • Hauptfunktion ist die weiche Verteilung allen Qi’s im Körper, die harmonische Fluss und Dynamik nach oben
  • Speicher des Xue (des Blutes und der nährenden Säfte)
  • Anatomisch werden dem FK Leber die Sehnen, Gelenke, Muskeln, der Uterus u.a. zugeordnet,
  • Entsprechung als Sinnesorgan ist das Auge.
  • Er ist in der Hierarchie des Körpers dem „General“ vergleichbar, die Instanz für den Antrieb, für die Dynamik, für Pläne, Überlegungen und Entscheidungen.

Der FK Leber ist besonders anfällig für ventus (Wind, feng)-Schädigungen, aber auch für Ärger, Frustration und Zorn, die den weichen Fluss des Qi stören und somit Krankheiten, Blockaden, Schmerzen im Bewegungsapparat erzeugen depressive Verstimmungen, Schmerzen im Bewegungsapparat, Zwerchfell und Unterbauch, Dysmenorrhoen, PMS, Sehstörungen, Migräne sind einige Beispiele der Pathologie des FK Leber.