Das Metabolische Syndrom

Aus Sicht der westlichen Medizin wird mit dem Begriff  metabolisches Syndrom das gleichzeitige Auftreten von mindestens 3 der 5 Komponenten abdominale Adipositas, erhöhte Triglycerid-, niedrige HDL-Cholesterolkonzentration, Glucoseintoleranz und Hypertonie verstanden. Jede einzelne dieser Gesundheitsstörungen erhöht für sich genommen schon das Risiko für die Manifestation des Typ-2-Diabetes sowie koronare Herzerkrankungen. Die Veränderungen bzw. Erkrankungen werden jedoch nicht isoliert voneinander betrachtet, sondern als komplexer Prozess, der über Jahre oft  sogar Jahrzehnte durch ein vielschichtiges Zusammenspiel von individuellen genetischen Voraussetzungen, Lebensstil und Umweltfaktoren zu den Erkrankungen führt, welche sich gegenseitig beeinflussen.

Auch die Chinesische Medizin erkennt das komplexe Zusammenspiel verschiedener pathogener Einflussfaktoren und wertvolle Ansätze in der Behandlung.

Das Metabolische Syndrom aus Sicht der Chinesischen Medizin

In den klassischen Quellen der Chinesischen Medizin wird der moderne  Begriff „metabolisches Syndrom“ nicht explizit erwähnt, dennoch erkannte man schon vor langer Zeit die enge Beziehung von pränataler Konstitution, Ernährung, Übergewicht und der Entstehung von Diabetes (xiaoke – „konsumierender Durst“).  Zu den wichtigsten ätiologische Faktoren gehören ähnlich der westlichen Medizin Fehlernährung, Bewegungsmangel, sowie eine angeborene konstitutionelle Schwäche. Darüber hinaus werden auch den Emotionen als pathogener Faktor eine wichtige Stellung zugeschrieben.

Für jedes Leitsymptom des metabolischen Syndroms aus Sicht der westlichen Medizin gibt es mehrere Differenzialdiagnosen der chinesischen Medizin. Das Krankheitsgeschehen kann hauptsächlich als Störung von Umwandlung und Verteilung des „Mitten“ Funktionskreise, sowie dem Liegenbleiben von nicht geklärter, trüber „Feuchtigkeit“ aufgefasst werden. Je nach individueller Ausprägung und Fortscheiten der Erkrankung sind weitere Funktionskreise, sowie der freie Fluss betroffen.  Die einzelnen Differentialdiagnosen können sich ähnlich der Auffassung der westlichen Medizin gegenseitig beeinflussen und die Entstehung eines Typ-2-Diabetes begünstigen. Die Manifestation des Typ-2-Diabetes oder aus chinesischer Sicht der „konsumierenden Durst-Krankheit“ (xiaoke), zeigt sich in der klinischen Praxis vor allem in einer Schädigung des Yin, sowie daraus resultierende übermäßige „Hitze“ und „Trockenheit“ (zao). Die meisten  klassischen Quellen betrachten Diabetes als einen tiefsitzenden „Hitze“ Prozess.   In den „Unbefangenen Fragen“ im „Inneren Klassiker des Gelben Fürsten“ (Huangdi Neijing Suwen, aus dem 1. Jhd. v. Chr.) heißt es: „Diese Krankheit wird durch häufigen Verzehr fetter und reichhaltiger Speisen verursacht, die „innere Hitze“ (neire) hervorrufen. Der süße Geschmack bewirkt eine Völle (man) im Thorax, weshalb sich das Qi oben sammelt und sich in „konsumierenden Durst“ (xiaoke) umwandelt.“ Dies weist Parallelen zur westliche Wissenschaft, welche eine niedrig-gradige, aber chronische Inflammation als einen wichtigen pathophysiologischen Mechanismus für das Entstehen von Typ 2 Diabetes postuliert.

 

Häufige Differenzialdiagnosen des metabolischen Syndroms aus Sicht der Chinesischen Medizin

  • Energetische Schwäche des Qi/Yang des Funktionskreises „Milz“ (pi qi/yang xu)
  • Energetische Schwäche des Yang der Funktionskreise „Milz“ und „Niere“ (pi shen yang xu)
  • trübe „Feuchtigkeit“ (shi)/„Feuchtigkeit-Hitze“ (shire) /„Schleim“ (tan)
  • Qi-Blockaden (qizhi) und Xue-Stasen (xueyu) im Funktionskreis „Leber“ (gan)
  • Aufsteigen des Yang des Funktionskreises „Leber“ (gan yang shang)
  • Energetische Schwäche des Yin (yin xu)
  • „Hitze“ (re) , „Glut“ (huo), „Trockenheit“(zao)

 

Therapie des Metabolischen Syndroms

In der Behandlung des metabolischen Syndroms hat neben der Akupunktur und Phytotherapie, ähnlich der westlichen Medizin die Ernährungstherapie einen besonderen Stellenwert. Die Ernährung hat in der chinesischen Medizin seit Anbeginn einen therapeutische Bedeutung. Sie stärkt besonders die „Mitten“-Funktionskreise, kann aber darüber hinaus auf alle anderen Funktionsbereiche, sowie energetische Entgleisungen gezielt einwirken. Da wir mehrmals täglich essen ist die Ernährungstherapie eine besonders nachhaltige Therapieform.

Bei Patienten mit metabolischen Syndrom zeigt sich die Fehlernährung sehr häufig als pathogener Faktor, wodurch in der Behandlung die individuelle Anpassung der Ernährung eine entscheidende Rolle einnimmt. Anders als in der westlichen Medizin steht in der Ernährungstherapie des metabolischen Syndroms nicht die Reduktion des Gewichts im Vordergrund sondern die Abstimmung der Lebensmittel entsprechend dem vorliegenden Disharmoniemuster im Sinne von „Unzureichendes stärken und im Übermaß vorhandenes reduzieren“. Je nach Disharmoniemuster wird ein unterschiedliches Therapieziel formuliert.

Abschließende Bemerkung

Die westliche Medizin zeigt ein tiefes Verständnis des metabolischen Syndroms auf zellulärer, biochemischer Ebene. Sowohl die westliche als auch die chinesische Medizin sehen das metabolische Syndrom als eine Wohlstandserkrankung, welche vor allem bei Fehlernährung, Bewegungsmangel und entsprechender genetischen Disposition/angeborener konstitutioneller Schwäche entsteht. Darüber hinaus sehen beide Betrachtungsweisen einen Zusammenhang zwischen Übergewicht und Insulinresistenz bedingt durch Entzündungsfaktoren oder „innere Hitze“ (neire). Die Stärken der chinesischen Medizin liegen hier vor allem in der Früherkennungen und der Prävention einer möglichen Stoffwechselentgleisung. Die Grundsätze „Behandeln, wenn noch keine Krankheit ausgebrochen ist“, sowie „wenn eine Krankheit bereits da ist, verhindere man eine Verschlechterung“ spielen eine wesentliche Rolle . Die chinesische Medizin kann und soll die westliche Medizin nicht ersetzen. Ziel soll es sein, die Vorzüge beider Therapien zu vereinen und die Behandlung zu optimieren. Durch die individuelle Anpassung kann die chinesische Medizin die westliche Medizin in der Behandlung des metabolischen Syndroms wirksam unterstützen und ergänzen.