Evidenz der Akupunktur, chinesische Arzneitherapie, Taiji

Akupunktur – zur Evidenz

Zusammenfassung der Arbeit von Prof. Dr. Benno Brinkhaus und KollegInnen:

Im Rahmen eines Reviews wurde die relevante Literatur bewertet:Akupunktur ist bei chronischen Schmerzerkrankungen wie z.B. chronische Kniegelenksschmerzen bei Arthrose, Migräne, Spannungskopfschmerz, chronische LWS-Schmerzen, chronische HWS-Schmerzen, Schulterschmerzen, Dysmenorrhoe und Fibromyalgie wirksam. Außerdem zeigt sich bei den meisten Schmerzerkrankungen eine spezifische Wirksamkeit – also über eine sog. sham-Akupunktur hinaus . Auch bei Patienten mit allergischen Erkrankungen ist Akupunktur wirksam.

Akupunktur hat sich in den großen klinischen Studien als sicheres Therapieverfahren erwiesen, allerdings kommen in seltenen Fällen auch schwere Komplikationen vor (z.B. Pneumothorax-Fälle, Hepatitis Infektionen). Akupunktur ist in der Regel mit zusätzlichen Therapiekosten verbunden, gilt allerdings bei Schmerzerkrankungen als kosteneffektive Therapiestrategie.

Wirkweise und Studienlage zur Wirksamkeit der chinesischen Arzneitherapie (TCA):

Zu Wirkungen und Wirksamkeit der TCA sind inzwischen eine Vielzahl von Studien und Reviews erschienen. Aufgrund der großen Breite der Rezepturen/Wirkstoffe und Indikationsvielfalt sind diese aber sehr widersprüchlich.

Die traditionellen Wirkprinzipien (Verordnung nach TCM-Diagnosen) der TCA sind nur in wenigen Studien, die den aktuellen Standards entsprechen, überprüft worden: In dem 1998 im JAMA veröffentlichen RCT zum Reizdarm (IBS) [24] wurden doppelblind sowohl eine TCA-Standardrezeptur als auch nach TCA-Kriterien individualisierte Rezepturen mit Placebo verglichen. Nach 16 Wochen waren beide Verum-Gruppen signifikant zum Placebo gebessert. Im Follow-up hielt der Besserungseffekt bei der Individual-Gruppe an, bei der Standard-Rezeptur-Gruppe kam es häufiger zum Rückfall.

Wirkprinzipien nach westlichen pharmakologischen Modellen

Zu den Wirkprinzipien nach westlichen pharmakologischen Modellen liegen zahlreiche Untersuchungen vor, sowohl in vitro als auch an Tiermodellen. Insgesamt konnten allein durch eine Literaturrecherche in Pubmed aktuell 16.356 (Abfrage am 01.10.2019) Einträge dazu gefunden werden.

In einer Studie zur Behandlung von Asthma mit TCA wurden immunmodulatorische und antiinflammatorische Effekte sowie eine relaxierende Wirkung auf die Atemwegsmuskulatur einer Rezeptur aus Ganoderma, Sophora- und Astragalus-Wurzeln (ASHMI: Clinical Symptom score CSS 4,7 (3.5-5.7) vorher, dann 0,9 (0.14-2.3) nachgewiesen, die nach 4 Wochen einer Prednison-Therapie (CSS vorher 4,7, nachher 0,6) gleichwertig waren. Allerdings nahmen die Patienten in der Prednsion-Gruppe 2,4 kg zu. Nach 3 Monaten Einnahme der ASHMI-Medikation nahm das Serum -gE ab und der Serum-INF-Gamma-Spiegel zu [25].

Aktuelle Studien und Reviews zur TCA weisen auf eine unterstützende Wirkung bei Krebserkrankungen hin. Eine Metanalyse zu Astragali radix (Huangqi) zeigt eine unterstützende Wirkung bei Chemotherapien bei kleinzelligen Bronchial-Karzinom  In 12 Studien wurde eine reduziertes Sterberisiko in 12 Monaten gefunden (Risk Ratio RR = 0,67, CI 95%, 0,52-0,87), in 30 Studien eine verbesserte Tumor Response (RR 1,34, CI 95%, 1,24 – 1,46) [26]. Vermehrte Nebenwirkungen oder Interaktionen mit der platinbasierten Chemotherapie traten keine auf. Postulierte Mechanismen sind Stimulierung der Makropagen- und T-Killerzell-Aktivität sowie IL-Inhibition. Berberin, ein Hauptbestandteil der Arzneidrogen Coptis rhizoma (Huanglian) und Scutellariae radix (Huangqin), ist ein Breitspektrum-Enzyminhibitor und weist antiproliferative wie pro-apoptotische Effekte auf [27].

Bei atopischer Dermatitis wurde in mehreren, wenn auch kleinen RCTs eine Wirksamkeit der TCA gesehen. In einer weiteren Studie wurden als immunologisches Korrelat reduzierte Serum-IgE-Komplexe, IL-4-Aktivität und IL-2-Rezeptor-Zell-Affinität gefunden [28]. Bei Colitis/CED scheinen die benutzten Arzneidrogen antiinflamatorische Effekte zu haben.

Zusammenfassend gibt es zu den Wirkmechanismen/-prinzipien bereits zahlreiche Publikationen. Insbesondere wurden bisher immunmodulatorische, antiinflammatorische, antitumoröse Eigenschaften aufgezeigt. Dementsprechend scheinen pharmakologische Prinzipien bei allergischen und immunologischen Erkrankungen (Asthma, Neurodermitis), komplementär zur Tumortherapie, bei entzündlichen Darmerkrankungen sowie funktionellen Störungen wahrscheinlich.

Aufgrund der Vielzahl der Einzelarzneien und Rezepturen, der Inhaltsstoffe, der Wirkstoffgemische und möglicher Indikationen ist jedoch weitere umfassende Forschung zwingend erforderlich.

 

Daten zur Wirksamkeit

Randomisierte, kontrollierte Studien (RCT) gibt es u.a. zum IBS, (komplementär) beim Pankreas-Karzinom, zu Ginseng bei Karzinom-assoziierter Fatigue und wie in der Grafik dargestellt bei fortgeschrittenem Bronchial-Karzinom mit platinbasierter Chemotherapie [29]. Hier zeigte sich, dass die Lebensqualität (EOCG- und FACT-l-Scores) dieser Patientengruppe durch zusätzliche Gabe von TCA im Vergleich zu einer Placebo-Kräuter-Gruppe deutlich verbessert werden konnte:

Für die TCA liegen Cochrane Reviews bzw. Metaanalysen mit positiven Hinweisen auf die Wirksamkeit bspw. zu folgenden Diagnosen vor:

  • Die Kombination aus TCA und IVF erhöhte signifikant die Fertilitätsraten (OR 2,04, 95% CI, 16,67 – 2,40 p < 0,0001) [30],
  • Astragali radix führte zu einer Verbesserung der Albuminauscheidung (0,57 g/24h, 95%CI, -1.04 – -0,10) und des Allgemeinprogresses beim nephrotischen Syndrom [31],
  • Für die Rezeptur „Dekokt, das den Fk Gallenblase erwärmt“ (Wendan tang) bei Schizophrenie, die komplementär zu Antipsychotika gegeben wurde [32, 33],
  • Bei akuten Infekte der Atemwege [34]; hier war das Forschungsteam durch die verschiedenen TCA-Diagnosen (siehe Differentialtherapie abhängig vom Syndrommuster) und dadurch verschiedene Rezepturen nicht in der Lage, eine einheitliche Rezeptur zu filtern,
  • Postoperative Behandlung von Endometriose, TCA führte zu einer deutlichen Verbesserung und Rückgang von Adnexherden als Danzol (RR 1.70, 95% CI 1.04 – 2.78) [35],
  • Bei primärer Dysmenorrhoe führte TCA zur einer Schmerzlinderung (14 RCTs; RR 1.99, 95% CI 1.52 – 2.60), Verbesserung des Allgemeinzustandes (6 RCTs; RR 2.17, 95% CI 1.73 – 2.73) verglichen zu anderen Schmerzmitteln [36],
  • Pathologische Glukosetoleranz: durch TCA zusammen mit Lebensstiländerungen normalisierten sich die Blutzuckerwerte doppelt so häufig, als wenn lediglich Lebenstiländerungen durchgeführt wurden(RR 2.07; 95% CI 1.52 – 2.82). Die TCA-Gruppe hatten einen deutlich selteneren Progress im Vergleich zu Vollbild-Diabetes (RR 0.33; 95% CI 0.19 – 0.58) [37],
  • Bei atopischer Dermatitis [28,38],
  • Zur Symptomreduktion beim Prämenstruellen Syndrom (RR 3.50, 95% CI 1.74 – 7.06) [39],
  • Zur Reduktion von Nausea und anderen Nebenwirkungen wie Leukopenie durch Chemotherapien bei Karzinom, insbesondere durch Astragali radix [40],
  • Zur Unterstützung in der Palliativ-Versorgung zur Schmerzreduktion (Schmerzreduktion 3 RTC, 95% CI: -1.69 – -0.11), Verstopfung und Fatigue [41, 42],
  • (Komplementär) bei Nicht-kleinzelligem Bronchial-Karzinom [26, 42],
  • (Komplementär) bei akuter Pankreatitis [43],
  • Bei akuten Harnwegsinfekten (RR 1,21, 95 % CI1.11 -33) wie chronischen Harnwegsinfekten, kam es zu weniger Rückfallen (RR 0,53, CI 95%, 0,35-0.80) [44].

 

Kritik und negative Studienlage

Negative Metaanalysen (Cochrane Reviews u.a.) liegen u.a. zu HIV/AIDS, Diabetes Mellitus Typ II, Hepatitis C (mit Einschränkungen) sowie Uterusfibromen vor [45, 46].

Generell wird bei den aus China stammenden Studien die Größe, Berichtsqualität, Heterogenität, mangelnde Vergleichbarkeit der Studien, unklare Angaben insbesondere zur Randomisierung kritisiert und dadurch ein mögliches bias kritisch bewertet [47].

Methodenkritisch muss bei Bewertung der TCA ausschließlich durch RCTs die asymmetrische Aussagekraft der RCTs in Betracht gezogen werden. Während ein positives Ergebnis Beweiskraft besitzt, ist ein negatives Ergebnis eines RCT kein negativer Beweis („The major weakness of the randomized controlled trial is the difficulty for protection against false negativity“ [48, 49]). Das Design des RCT ist für manche Fragestellungen ungeeignet. Fallkontrollstudien, prospektive Kohorten-Studien, Serien von Einzelfallberichten, Konsensus-Konferenzen von Experten u.a. scheinen speziell auch im Fall der TCA mit der sehr komplexen Differentialdiagnose und den Therapiestrategien besser geeignet, weitere Evidenz (positiv wie negativ) zu gewinnen.

 

Sicherheits- und Qualitätsaspekte der TCA
Trotz negativer Medienberichten ist festzustellen, dass Nebenwirkungen (NW) bei korrekter Anwendung, Sicherung der Arzneiqualität (Prüfung auf Verunreinigungen und Identität, Abgabe durch Apotheken) nach aktuellem Wissensstand selten sind. Das Zentrum für Therapiesicherheit in der TCA (www.ctca.de ) konnte in den letzten 15 Jahren nachweisen, dass nur in wenigen Fällen reversible Anstiege der Leberwerte auftraten. Weitere NW waren Durchfall, Allergien, idiosynkratische Reaktionen und Interaktionen mit westlichen Medikamenten. Sicherheitsrisiken und Qualitätsmängel entstehen in der TCA, wenn

  • Chinesische Arzneimittel über das Internet oder den Graumarkt erworben werden,
  • Vorgegebene Standards zur Identitätssicherung, Qualität und Reinheit der Arzneidrogen nicht eingehalten werden sollten, was aber bei Abgabe durch Apotheken ausgeschlossen sein sollte,
  • Die verschreibenden Ärzte nicht ausreichend ausgebildet sind.

 

Taijiquan und Qigong − Aktuelle Studien und Metaanalysen

Taiji und Qigong sind Bewegungstherapien, die in chinesischen Kampfkünsten und in den Lehren zur Lebenspflege (Yangsheng) wurzeln. Geregelte Bewegungsabfolgen werden mit imaginativen Techniken, Atemübungen und meditativen Elementen verknüpft. Seit den 1950er Jahren werden diese in China in speziellen Kliniken wie im Alltag angewandt. Auch im Westen sind diese weit verbreitet und werden gelehrt.

Mittlerweile gibt es ca. 500 Studien und eine Vielzahl von Metaanalysen, die zum Teil hochrangig publiziert wurden. Die besten Belege für positive Wirkungen gibt es in der Begleitbehandlung bei Morbus Parkinson [52], da sie Gehfähigkeit, Koordination und motorische Fähigkeiten verbessern und möglicherweise den Krankheitsprogress verlangsamen. Positive Effekte konnten auch für Arthrose, Osteoporose, Prophylaxe von Stürzen bei Älteren, COPD und das Atemvolumen nachgewiesen werden.

Die Anwendung von Taijiquan bei Demenz wurde mit der Methode „systematic review and meta-analysis“ [53] untersucht. Es erfolgte eine Auswertung von insgesamt 20 Studien mit 2.553 Teilnehmern verschiedensten Designs. Hier konnte bei Taijiquan-Anwendern eine signifikante, wenn auch nur geringe Verbesserung der kognitiven Funktionen (im MMSE-Test (Mini-Mental-State Examination)) im Vergleich zu den Kontrollgruppen mit anderen aktiven Interventionen (Kalkulierte Effektgrößen = Hedges g = 0,30, = 0.002, I2 = 0%) ) und ohne aktive Interventionen (nachgewiesen werden. In einer der Studien konnte eine deutlich reduzierte Progression einer Demenz der Taiji-Gruppe von 4,3% gegenüber der Gruppe mit „westlichen Übungen“  mit 16,6% Progress im Beobachtungszeitraum dokumentiert werden.