Das Metabolische Syndrom
Das metabolische Syndrom ist aus Sicht der westlichen Medizin eine Kombination aus mindestens drei der folgenden fünf Komponenten:
- Abdominale Adipositas (Bauchfett),
- Erhöhte Triglyceridwerte,
- Niedrige HDL-Cholesterolkonzentration,
- Glucoseintoleranz (Insulinresistenz),
- Hypertonie (Bluthochdruck).
Jede dieser Störungen erhöht das Risiko für Typ-2-Diabetes und koronare Herzerkrankungen. Diese Erkrankungen entwickeln sich oft über viele Jahre hinweg durch ein komplexes Zusammenspiel von genetischen Faktoren, Lebensstil und Umweltbedingungen. Der Fokus liegt dabei nicht auf der isolierten Betrachtung einzelner Symptome, sondern auf dem Zusammenspiel dieser Komponenten als Teil eines ganzheitlichen Krankheitsprozesses.
Das metabolische Syndrom aus Sicht der Chinesischen Medizin (TCM)
Die TCM kennt den modernen Begriff „metabolisches Syndrom“ nicht, verweist jedoch in klassischen Schriften auf ähnliche Krankheitsbilder wie Diabetes („konsumierender Durst“ oder xiaoke) sowie auf die Rolle von Konstitution, Ernährung und Bewegungsmangel bei deren Entstehung. Neben diesen Faktoren werden in der TCM auch emotionale Belastungen als wichtige pathogene Einflüsse anerkannt.
Ätiologie und Pathogenese
Die TCM sieht das metabolische Syndrom als Ergebnis einer Störung der Umwandlung und Verteilung in den „Mitten“-Funktionskreisen, die zu einer Ansammlung von „trüber Feuchtigkeit“ (shi) führt. Je nach individuellem Krankheitsverlauf können weitere Funktionskreise sowie der freie Energiefluss (Qi-Fluss) betroffen sein. Diese Disharmonien fördern das Fortschreiten der Erkrankung und die Entwicklung von Typ-2-Diabetes.
Die Manifestation von xiaoke zeigt sich klinisch als Schädigung des Yin, begleitet von übermäßiger Hitze (re) und Trockenheit (zao). In klassischen TCM-Texten, wie den Unbefangenen Fragen des „Inneren Klassikers des Gelben Fürsten“ (Huangdi Neijing Suwen, 1. Jh. v. Chr.), wird Diabetes als ein tiefsitzender Hitze-Prozess beschrieben. Es heißt: „Diese Krankheit wird durch häufigen Verzehr fetter und reichhaltiger Speisen verursacht, die innere Hitze (neire) hervorrufen. Der süße Geschmack bewirkt eine Völle (man) im Thorax, weshalb sich das Qi oben sammelt und sich in ‚konsumierenden Durst‘ (xiaoke) umwandelt.“
Dieser Ansatz weist Parallelen zur westlichen Medizin auf, die chronische Entzündungen als wesentlichen pathophysiologischen Mechanismus bei der Entstehung von Typ-2-Diabetes betrachtet.
Differenzialdiagnosen in der TCM
Für jedes der Leitsymptome des metabolischen Syndroms gibt es in der TCM verschiedene Disharmoniemuster, darunter:
- Energetische Schwäche von Milz-Qi oder Milz-Yang (pi qi/yang xu),
- Schwäche von Milz- und Nieren-Yang (pi shen yang xu),
- Trübe Feuchtigkeit (shi), Feuchtigkeits-Hitze (shire) oder Schleim (tan),
- Qi-Stagnation (qizhi) und Blutstasen (xueyu) im Funktionskreis Leber,
- Aufsteigendes Leber-Yang (gan yang shang),
- Schwäche des Yin (yin xu),
- Hitze, Glut (huo) oder Trockenheit (zao).
Therapie des metabolischen Syndroms in der TCM
Die Behandlung kombiniert verschiedene Ansätze, um die zugrunde liegenden Disharmonien zu regulieren. Im Fokus stehen:
- Ernährungstherapie:
- Ernährung hat in der TCM seit jeher eine therapeutische Bedeutung. Sie stärkt die „Mitten“-Funktionskreise und wirkt gezielt auf Disharmonien ein.
- Anders als in der westlichen Medizin steht nicht die Gewichtsreduktion im Vordergrund, sondern die individuelle Anpassung der Ernährung entsprechend dem Disharmoniemuster. Ziel ist es, Unzureichendes zu stärken und Übermaß zu reduzieren.
- Akupunktur:
- Die Stimulation spezifischer Akupunkturpunkte reguliert Qi- und Blutfluss, reduziert Feuchtigkeit und harmonisiert Yin und Yang.
- Phytotherapie:
- Kräuterrezepturen ergänzen die Behandlung und zielen auf die Beseitigung von Feuchtigkeit, die Regulierung von Qi und die Stärkung geschwächter Funktionskreise.
- Bewegung und Lebensstil:
- Regelmäßige Bewegung ist essenziell, um den Qi-Fluss zu fördern und Feuchtigkeit auszuleiten.
Abschließende Bemerkung
Das metabolische Syndrom ist sowohl in der westlichen als auch in der chinesischen Medizin eine Wohlstandserkrankung, die auf Fehlernährung, Bewegungsmangel und genetische Disposition zurückzuführen ist. Während die westliche Medizin ein tiefes Verständnis der molekularen und biochemischen Prozesse bietet, liegt die Stärke der TCM vor allem in der Früherkennung und Prävention.
Die Prinzipien der TCM – „Behandeln, bevor die Krankheit ausbricht“ und „Verschlechterungen verhindern“ – sind hier von zentraler Bedeutung. Die TCM kann die westliche Medizin nicht ersetzen, jedoch ergänzen. Ziel ist es, die Vorzüge beider Ansätze zu vereinen und eine individuell angepasste Therapie zu entwickeln. So können die besten Ergebnisse für Patient:innen erzielt werden.