Colitis ulcerosa – Behandlung mit Chinesischer Medizin (TCM)

Colitis ulcerosa – chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen

Colitis ulcerosa und Morbus sind durch TCM (Akupunktur, Moxibustion, Chinesische Arzneidrogen, Diätetik) gut zu behandeln. Meist kommen diese Methoden kombiniert zum Einsatz, die Arzneidrogen werden nicht nur als Dekokt, sondern auch als Einläufe oder bei streng lokalem Befall, auch als Suppositorien appliziert. Voraussetzung besonders bei der Anwendung der Arzneidrogen ist jedoch eine chinesische Differentialdiagnose.

Definition Colitis und Morbus Crohn

Die Definition CED oder Colitis ulcerosa ist eine der westlichen Medizin, die auf klinischen wie auch histologischen Verläufen wie Befunden beruht (siehe aktuelle Leitlinien der Gesellschaft für Gastroenterologie). In der Chinesischen Medizin existiert der Begriff der CED ursprünglich natürlich nicht, am ehesten entsprechen in klassischen Texten beschriebene chronische Durchfälle diesen Krankheitsbildern.

In der chinesischen Fachsprache setzt sich der Ausdruck für Diarrhö aus zwei Homophonen (Xiexie) zusammen, das erste Schriftzeichen bedeutet ungeformte, halbflüssige, das zweite wässrige Stühle. Diarrhö wird also in der TCM primär als Veränderung der Stuhlkonsistenz definiert, nicht als Zunahme der Darmentleerungen. Der Funktionskreise (FK) Milz-Magen haben also die Fähigkeit verloren, „Klares von Trübem“ zu unterscheiden, das „Trübe“ behindert die Verdauung und mischt sich mit Unverdautem, auch wertvolle Bestandteile, Qi, Xue, Säfte werden über die  nachfolgenden Funktionskreise Dünn- und Dickdarm ausgeschieden. Primär ist also die Mitte, der FK Milz geschädigt, schwach.

Ätiologisch schädigen pathogene Faktoren wie „Feuchtigkeit“ (humor, shi), „Feuchte Hitze“ (shire, calor humidus), „Wind“ (ventus, feng) in Kombination mit „Feuchtigkeit“ (humor, shi), „Sommehitze-Feuchtigkeit (shushi, aestus-humor), Diätfehler, „Hitze“ (calor, re) und „Glut“ (ardor, huo) die „Mitte“, häufig kann eine Stase des „Leber“-Qi (die nach der TCM durch extreme Gefühlsbelastungen (emotiones, Qiqing) entstehen) zusätzlich den Funktionskreis „Milz“ strangulieren. Unterschieden werden diese Pathogene durch den Verlauf und die Symptomatik Je länger Pathogene auf die „Mitte“ einwirken, also nicht geklärt werden, desto häufiger entwickeln sich Mischbilder, meist aus energetischer „Fülle“ (shi, repletio) (speziell des Qi der Mitte) und energetischer Schwäche (depletio, xu), die zur einfacheren Darstellung im Folgenden als Syndromdifferenzierungen zusammengefasst werden. Diese Syndromdifferenzierungen können im klinischen Alltag also überlappen, hier ist die vorsichtige Unterscheidung und Dosierung der Kräuter entscheidend (siehe Darstellung in den  Kasuistiken).

Chinesische Syndrommuster und Behandlung

„Feuchte Hitze“ (shire, calor humidus), „Glut“ (ardor, huo) und Toxine

Folgende Symptome werden dieser Syndromdifferenzierung zugeordnet:

  • starke Diarrhö, fötider Stuhl, wässrig,
  • Schleimbeimengungen (Hinweis für „Feuchtigkeit“ (humor, shi) bzw. „Feuchte Hitze“ (shire, calor humidus)
  • Blutbeimengungen („Hitze“ (calor, re)
  • Tenesemen und schmerzhafte Darmentleerungen, Übelkeit und Brechen als Hinweise für „Hitze“ (calor, re) im Funktionskreis Magen sowie Blockaden des Qi-Flusses
  • Afterbrennen, Fieber, Aphten, Uveitis und andere „Hitze“ (calor, re)-Zeichen,
  • die Pulse werden meist als schlüpfrig, voll, saitenförmig, die Zunge als gerötet mit klebrigem, tendenziell gelblichem Belag beschrieben.

Akupunktur:

Di 4 (hegu), Ma 25 (tianshu), Ma 37 (shangjuxu), KG 12 (zhongwan), Di 11 (quchi), Ma 44 (neiting), Mi 9 (yinlingquan), diese alle möglichst ausleitend nadeln.

 

Basis-Rezeptur: Modifikation Pulsatilla-Dekokt (bai tou wenig tang) ) (siehe Hempen et al. Leitfaden Chinesische Rezeptur, U & F 2006, S. 150f (7)):

  • Pulsatillae radix (Baitouweng) 12 g
  • Coptidis rhizoma (Huanglian) 9 g
  • Phellodendri cortex (Huangbo) 9 g
  • Fraxini cortex (Qinpi) 9 g                                    modifiziert und ergänzt durch:
  • + Pueraria radix (gegen) 20 g
  • + Herba cum Radice Patriniae (baijiangcao) (besonders bei Schleim)
  • + Arecae pericarpium (binglang) 6 g
  • + Aucklandiae radix (muxiang) 4,5 g
  • + Paonia alba radix (baishao) 10-15 g
  • + Glycyrrhizae radix (gancao) 4,5 g
  • + Sanguisorbae radix (diyu) 6 g

Letzteres Mittel wird zur Blutstillung zugefügt, es wirkt entzündungshemmend.

energetische Schwäche (depletio, xu) des Funktionskreises Milz (o.lienalis, pi) kombiniert mit „Feuchter Hitze“ (shire, calor humidus)

In der Symptomatik eher mildere Fälle mit Diarrhö, wenig Schleim- und geringen Blutbeimengungen. Auslöser ist häufig zu süßes, fettes Essen, in der Folge Inappetenz, Blähungen, allgemeine Erschöpfung, Gewichtsverlust. Die Pulse werden als fadenförmig, fein, erschöpft, die Zunge als blass mit deutlichen Zahneindrücken beschrieben.

Akupunktur bei Colitis ulcerosa:

 KG 12 (zhongwan), Ma 25 (tianshu), Ma 36 (zusanli), Bl 20 (pishu), Bl 21 (weishu), deutlich suplletive Nadeltechniken sind hier wichtig; auch Moxibustion sinnvoll und hilfreich, besonders mit der Mox-abox über dem sog. unteren Zinnoberfeld (dantian) (siehe Abb.)

 

Basis-Rezeptur: Modifikation Dekokt der sechs Edellleute (liu junzi tang)

  • Codonopsitis radix (dangshen) 9 3 g
  • Atractylodis macrocephalae rhizoma (Baizhu) 9 g
  • Poria alba (Fuling) 9 g
  • Glycyrrhizae radix (Gancao) 3 g
  • Pinelliae rhizoma (Banxia) 3 g
  • Citri reticulatae pericarpium (Chenpi) 6 g
  • mit folgender Modifikation:
  • + Astragalus membr. radix (huangqi) 15 g
  • + Aucklandiae radix (muxiang)       4,5 g
  • + Coptidis rhizoma (huanglian) 1 g
  • + Schizandrae fructus (wuweizi) 9 g
  • + Mume fructus (wumei) 3 g
  • + Zingiberis rhizoma (ganjiang) 3 g

Blockade des Qi im Funktionskreis Leiber (stase Qi hepatici), kombiniert mit energetische Schwäche (depletio, xu) der „Mitte“ und „Feuchter Hitze“ (shire, calor humidus)

Bei diesem Verlauf dominieren wanderende, wechselnde, teilweise aber sehr heftige Schmerzen. Auch nach der Stuhlentleerung wird weiter über Unwohlsein, Schmerz und Völlegefühl geklagt. Häufig finden sich  Verstopfung und Diarrhö im Wechsel, bei der Koloskopie scheint oft nur das Rectum befallen zu sein. Auslöser sind emotionale Faktoren, Depressionen durch eichen wie Schlafstörungen oder in Ratingscales erfassbar. Die Pulse sind saitenförmig, die Zunge ist meist blass mit roten Rändern.

Akupunktur:

 Le 3 (taichong), Gb 34 (yanglingquan), Mi 9 (yinlingquan), Ma 36 (zusanli), 3E 6 (feihu), Di 4 (hegu), Ma 25 (tianshu), zerstreuende und suplletive Nadelungstechniken, auch Moxibustion möglich.

Basis-Rezeptur: Modifikation Verordnung gegen schmerzhaften Durchfall (tongxie yaofang) )

  • Paeoniae lactiflorae radix (Baishaoyao) 15 g
  • Atractylodis macrocephalae rhizoma (Baizhu) 12 g
  • Citri reticulatae pericarpium (Chenpi) 6 g
  • Ledebouriellae seu Saposhnikoviae radix (Fangfeng) 3 g
  • + Bupleurum radix (chaihu) 9 g
  • + Saposhnikoviae radix  (fangfeng) 6 g
  • + Coicis semen (yiren) 15 g
  • + Citri aurantii imat. fructus (zhishi) 4,5 g
  • + Aucklandiae radix (muxiang) 4,5g
  • + Coptidis rhizoma (huanglian) 1 g
  • + Pulsatilla radix (batouweng) 9 g

Bemerkungen und Therapiegrundsätze bei Colitis ulcerosa

Die Behandlung durch Akupunktur und Moxibustion ist meist Nebenwirkunsgarm und immer unterstützend wichtig, kurativ scheinen jedoch die chinesischen Arzneimittel zu wirken.

Bei geringer Erfahrung empfiehlt es sich, zunächst mit der Hälfte der angegeben Dosierungen zu beginnen, jedoch spätestens nach 1-2 Wochen zu steigern. Die Einnahme der Medikamente sollte zeitlich begrenzt sein, Erstverschlimmerungen wie in der Homöopathie gibt es nicht, sondern deuten auf eine Fehldiagnose bzw. nicht verträgliche Rezeptur hin. Andere UAW können in seltenen Fällen reversible Erhöhungen der Transaminasen sein. Insbesondere bei westlicher Medikation sollte vorab und dann alle 4 bis 6 Wochen eine Laborkontrolle erfolgen.

Fallbespiel  Pancolitis ulcerosa bei einem 34jährigem Arzt

Bei dem 34jährigem Arzt war erstmals 1991 eine Pancolitis ulcerosa aufgetreten. Bisher hatten lediglich Nahrungskarenz und hochdosierte, parenterale Gaben von Predsnison den Verlauf beeinflusst, orale Gaben von 5-ASA, Budesonid, Klysmen und ein Versuch mit Azathioprin hatten keine Besserung gebracht und seien von ihm beendet worden. Im letzten Jahr war er beschwerdefrei gewesen.

Anfang Dezember 2006 traten nun wieder heftige, wässrige Diarrhöen mit Blut- und Schleimbeimengungen mit deutlichen Tenesmen auf. Möglicher Auslöser sei ein akuter gastrointestinaler Infekt. Neben der deutlichen Arbeitsbelastung gab er an, zu Hause wegen einer 21 Monate alten Tochter etwas wenig zu schlafen.

Der Patient war deutlich blass-fahl, wirkte leicht reduziert, der Puls war mit 96 bei einem RR von 115/80 normal. Die Pulse fühlten sich deutlich schlüpfrig und fadenförmig an, die Zunge imponierte blass mit gequollenen Rändern.

Deshalb stellte ich die Chinesische Arbeitsdiagnosen: (Akute?) „Feuchtigkeit“ (humor, shi)-Affektion (?), Blockade des im FK Leber, „Feuchte Hitze“ (shire, calor humidus) und energetische Schwäche (depletio, xu) Mitte.

Akupunktur: Ma 36, Di 4. Mi 9, Ma 25, KG 6 (Moxibustion), Le 3, 3E 6.

Rezept: Modifikation Verordnung gegen schmerzhaften Durchfall/Pulsatilla-Dekokt

  • Phellodendri cortex (huangbai) 1,5 g
  • Pulsatilla radix (batouweng) 12g
  • Saposhnikoviae radix  (fangfeng) 6 g
  • Citri reticul. pericarpium (chenpi) 6 g
  • Atractylodis macro rhizoma (baizhu) 9
  • Paonia alba radix (baishao) 10 g
  •  Agastachis herba (huoxiang) 6 g
  • Talcum (huashi) 9 g
  • Polyporus (zhuling) 9 g
  • Poria alba (fuling) 10 g
  • Glycyrrhizae radix (gancao) 3 g

als Tagedosen im Dekokt.

Nach einer Woche hatte sich das Befinden nicht gebessert, der Patient aber wegen  Zeitmangels die Medikation noch nicht eingenommen gehabt; nach 3wöchiger konstanter Einnahme, zuletzt als Granulat (3 x 1 TL pro die in heißem Wasser gelöst) hatte der Stuhl und das Allgemeinbefinden sich vollständig normalisiert. Andere Medikamente habe er nicht eingenommen, nach seinem Eindruck wäre die Besserung deutlich schneller als mit parenteraler Prednsiongabe  (was vorab als Alternative diskutiert worden war) eingetreten. Bis Ende März war der Patient symptomfrei, eine Kontrollkoloskopie im Februar 2007 hatte keinen pathologischen Befund mehr ergeben.